Kapitel 2 Die Wiedervereinigung von Vater und Tochter
Penny sträubte sich nicht in seinen Armen. Es war, als hätte sie ihren Kampfgeist verloren.
Das einzige Zeichen des Widerstands waren die Tränen, die über die Ecken ihrer Augen liefen.
Sie hatte die letzten fünf Jahre ihres Lebens wie ein Zombie verbracht und sich selbst gegenüber den unerbittlichen Beleidigungen und Demütigungen abgestumpft. Sie hatte mehrmals daran gedacht, ihr Leben zu beenden, um dem Schmerz und dem Elend zu entkommen, aber jedes Mal tauchte das Gesicht ihrer Tochter in ihrem Kopf auf. Mit ihrer Tochter als einziger Anker biss Sigrid die Zähne zusammen und kämpfte weiter.
Das alles geschah wegen dieses Teufels, der ihr Leben auseinandergerissen hatte!
Nathan war es, der ihr und ihrer Tochter das unerbittliche Elend und die Verzweiflung gebracht hatte.
Sie schwor, hart zu arbeiten und für den Rest ihres Lebens allein zu bleiben. Ihr einziges Ziel war es, die Leiden ihrer Tochter durch eine glückliche und vielversprechende Zukunft wiedergutzumachen.
Sie ahnte nicht, dass der Mann, der die Tragödie vor fünf Jahren ausgelöst und ihr die quälendste Zeit ihres Lebens beschert hatte, nun zurück war, um sie heimzusuchen. Es war, als würde man Salz in ihre Wunde streuen. Als er wieder auftauchte, wurden all die schmerzlichen Erinnerungen, die lange Zeit begraben waren, wieder lebendig und tauchten wie unauslöschliche Geister in ihrem Kopf auf.
Wie sehr sehnte sie sich nach einer Pause. Sie betete zu Gott um ein wenig Erleichterung und bat den Himmel inständig, sie nicht länger mit ihrem Leid zu belasten.
Der Anblick von Sigrids jämmerlichem Zustand war für Nathan unerträglich. Er setzte sie sanft ab und ließ sie aufstehen.
"Kannst du mir bitte eine Chance geben, mich mit dir und unserer Tochter zu versöhnen?" Einem hartherzigen Menschen wie ihm war Zärtlichkeit völlig fremd, aber er bettelte zum ersten Mal auf die sanfteste Weise, die er aufbringen konnte.
"Um unserer Tochter willen und auch um deinetwillen, gib mir bitte eine Chance", flehte er.
Sigrid zitterte unkontrollierbar, als er "unsere Tochter" aussprach.
Es gab ihr einen Funken Hoffnung, als sie langsam ihre Augen hob.
"Vertrau mir, ich weiß, durch was für eine Hölle ihr beide in den letzten Jahren gegangen seid", flehte Nathan in seiner sanften Stimme weiter, "Ich weiß, dass du mich auch verabscheust, aber bitte gib mir eine Chance, es wieder gutzumachen."
"Kinder aus Einelternfamilien neigen eher zu Persönlichkeitsstörungen, die sich auf ihr allgemeines Wohlbefinden auswirken können."
"Bitte gib mir eine Chance, Sigrid."
In Sigrids Augen spiegelte sich ein Wirbelwind von Emotionen, während sie über seine Worte nachdachte. Anne wurde schnell erwachsen und wurde jeden Tag vernünftiger.
Eine Familie ohne Vater konnte niemals vollständig sein, geschweige denn dem Kind ein Gefühl von Normalität und Einheitlichkeit bieten.
Es brach ihr das Herz, wenn sie den bemitleidenswerten Blick auf Annes Gesicht sah, wenn sie nach ihrem Papa fragte.
Doch sie konnte nur wegschauen und ihre Tränen abwischen, denn sie hatte keine Antwort für ihre liebe Tochter.
Ja, Anne braucht einen Vater!
Die Entschlossenheit in Nathans Augen verstärkte nur ihre Überzeugung.
Es dauerte lange, bis sie sich entschied, aber schließlich stimmte sie zu: "In Ordnung, ich gebe dir eine Chance, dich mit deiner Tochter zu versöhnen."
"Ich gebe dir diese Chance, weil sie einen Papa in ihrem Leben braucht. Aber lass mich dir eine strenge Warnung geben - tu nichts, was sie verletzen könnte."
"Und um es klarzustellen, nur weil Anne dich Papa nennt, bedeutet das nicht, dass du mein Ehemann bist, hast du das verstanden?"
"Ja!" Nathan nickte zustimmend.
Nathan wusste genau, dass Sigrid ihm die Möglichkeit gab, sich mit Anne zu versöhnen, weil sie wollte, dass das junge Mädchen eine glänzende Zukunft hat.
Es würde ein Leben dauern, bis sie ihm den Schmerz vergeben würde, den er ihr zugefügt hatte, geschweige denn ihn als ihren Ehemann anzunehmen.
Diese Jahre des stillen Leidens hatten ein unsichtbares Netz in ihr gesponnen und ein tödliches Durcheinander aus schmerzhaften Verwicklungen geschaffen. Er wusste, dass es Zeit brauchen würde, um diese Knoten aus Schmerz und Groll zu entwirren.
...
In der Zwischenzeit war die Lehrerin im Klassenzimmer der Golden Apple Kindergarten nicht zu sehen!
Ein pummeliger Junge in Designerkleidung freute sich und zog an einem Seil.
Das andere Ende des Seils war um den Hals eines kleinen Mädchens gebunden, das wie ein Hund hinterhergezogen wurde.
Der dicke Junge zerrte ungeduldig an der provisorischen Leine und schrie sie an: "Weißt du nicht, dass du mein Hund bist, Anne? Hunde sollen bellen, mach es jetzt!"
Das Opfer krabbelte auf ihren Gliedmaßen wie ein Welpe, ihr schmutziges Gesicht war mit Kreidestaub befleckt. Sie war ein kleines Mädchen im Alter von etwa vier Jahren.
Unter dem Schmutz und dem Staub befand sich ein wohlgeformtes Gesicht mit den sympathischen Zügen eines hübschen, unschuldigen jungen Mädchens.
Der dicke Junge zerrte immer wieder an dem Seil um ihren Hals, so dass sie nach Luft schnappte.
Unzufrieden mit ihrer Untätigkeit, bedrängte der dicke Junge sie erneut: "Anne, ich warne dich, belle, oder ich werde alle dazu bringen, dich zu verprügeln. Du bist eine dumme B******, die nicht einmal einen Vater hat..."
Mit geröteten Augen schluchzte Anne erbärmlich: "Nein, nenn mich nicht B******, das bin ich nicht..."
"Hör zu, ich bin der König hier und wenn ich sage, dass du eine B****** bist, dann benimm dich auch so. Jetzt tu, was ich sage, und bell wie ein Hund!" Der dicke Junge war gnadenlos grausam und fordernd.
Die anderen Kinder lachten über das, was sie sahen, als würden sie einen lustigen Cartoon anschauen.
Nathan und Sigrid hatten gerade den Eingang des Klassenzimmers erreicht.
Der Anblick ihrer Tochter, die wie ein Hund angeleint war, versetzte Sigrids in einen Schockzustand. Sie eilte nach vorne und hob Anne in ihre Arme.
Sie löste das Seil von Annes Hals und warf es wie eine abscheuliche Schlange weg. "Was ist mit dir passiert, Anne?" fragte sie besorgt, ihre Augen brannten vor Wut.
Anne konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten, als sie ihre Mutter sah. Wie ein explodierender Damm schluchzte sie, bis ihr kleiner Körper zitterte: "Mama, Max Zahn hat gesagt, dass ich eine B****** bin und dass er will, dass ich wie ein Hund belle, sonst lässt er alle in der Klasse auf mich los..."
Was?
Von Wut ergriffen, durchströmte sie eine Wut, die sie zum Zittern brachte.
Sie kannte diesen fetten Tyrannen namens Max Zahn nur zu gut. Er nahm Anne immer als sein Ziel.
Es schockierte sie, als sie die unmenschliche Behandlung sah, die Anne von ihm erhielt.
Penny hielt Anne fest, während sie sie tröstete: "Du hast einen Papa, Anne. Sie liegen falsch, wenn sie dich eine B****** nennen."
Anne schluchzte und antwortete mit Schluchzern: "Nein, Anne hat keinen Papa..."
"Nein, Anne, du hast einen Papa. Ich bin dein Papa!", rief Nathan aus, dessen Herz zerrissen war, als er Annes herzzerreißende Schreie hörte.
Anne hörte auf zu schluchzen und wandte sich fragend an ihre Mutter. "Mama, ist er wirklich mein Papa?"
"Ja, er ist dein Papa, Anne. Er ist gerade aus der Armee ausgeschieden", nickte Sigrid eifrig.
"Papa..."
Anne war vor Freude überwältigt, als sie auf Nathan zustürmte, der sie in seine Arme nahm, während sein Herz von glühender Liebe erfüllt war.
Mit ihren kleinen Armen um seinen Hals geschlungen, war Anne so von intensivem Glück erfüllt, dass sie nicht aufhören konnte, ihn "Papa, Papa" zu nennen.
Nathan war ebenso von Zärtlichkeit und Liebe überwältigt, als er auf ihr Wimmern mit Leidenschaft und Zuneigung reagierte.
Sigrid beobachtete das Zusammenspiel zwischen den beiden, voller Kichern und Lachen, von der Seitenlinie aus. Sie schauderte vor Freude, denn es schien alles so warm und gemütlich, und doch war es unglaublich real.
Dies war das erste Mal, dass Anne die Wärme und Liebe eines Vaters spürte.
Immer noch eng an ihren Vater geschmiegt, rief Sigrid immer wieder "Papa", bis ihre Stimme heiser wurde.
Sein Erscheinen erfüllte ihre kleine Welt mit solcher Freude und verlieh ihr ein Gefühl von Stolz, das sie in ihrem jungen Leben noch nie zuvor erlebt hatte.
Sie drehte sich um und grinste den dicken Jungen an. "Schau her, ich bin keine Bastard, ich habe auch einen Papa."
Der dicke Junge entgegnete sarkastisch: "Er ist nicht dein Papa. Meine Mutti sagt, dass du eine B****** bist, weil deine Mutter eine lockere Frau ist, die mit Männern schläft. Sie hat sich schwängern lassen, und so bist du auf die Welt gekommen. Deshalb hast du auch keinen Papa."
Ein Schatten glitt über Nathans Gesicht, als er diese Worte hörte.
Sigrid konnte sich nicht länger zurückhalten. Sie ermahnte den dicken Jungen in einem strengen Ton: "He, Kleiner, pass auf, was du sagst. Wenn du weiterhin so gemein und respektlos bist, werde ich deiner Lehrerin davon erzählen und dafür sorgen, dass du eine gute Lektion von ihr bekommst."
Wah! Der dicke Junge schrie vor Angst auf, als er hörte, was Penny gesagt hatte.
"Was ist mit dir passiert, mein Liebling? Hat dich jemand schikaniert?"
Gerade in diesem Moment durchdrang eine hohe, durchdringende Stimme die Luft wie das Kreischen einer Hexe.
Eine mollige Frau eilte in das Klassenzimmer; ihre Wut war so offensichtlich, dass man sich vorstellen konnte, wie Dampf aus ihren Ohren sprühte. Sie schien mittleren Alters zu sein und war von Kopf bis Fuß in Designerkleidung gekleidet. Prunkvoller Schmuck und Diamanten beschwerten ihre stämmigen Finger und ließen sie protzig erscheinen.
Die geschmacklose Frau war die Mutter des dicken Jungen. Sie war hier, um ihn nach der Schule abzuholen.
Im Moment, als er seine Mutter sah, zeigte der dicke Junge auf Sigrid und rief: "Das ist sie, Mama. Sie hat mich schikaniert und geschlagen!"