Kapitel 4 Du hast ja keine Ahnung
Die Menge wuchs, und immer mehr Menschen versammelten sich, die alle die Stimme aus dem Telefonhörer gehört hatten.
Alle Anwesenden waren fassungslos.
Die Familie Bennett war zwar nicht die reichste in Hoverdale, aber sie war immer noch ein angesehener Adelshaushalt.
Für Kinder aus wohlhabenden Familien war ein monatliches Taschengeld von 14.000 Dollar völlig normal.
Sie hatten noch nie von einer reichen Erbin gehört, die nicht einmal einen Cent Taschengeld bekam.
Die Familie Bennett war die erste.
Kein Wunder, dass Lauren so ärmlich gekleidet war und nicht einmal ein anständiges Kleid für ein Bankett besaß.
Auch wenn sie nicht bei ihnen aufgewachsen war, so war sie doch die echte Tochter der Familie Bennett. Dennoch gaben sie ihr nichts, während sie ihre Adoptivtochter mit 140.000 Dollar im Monat überschütteten.
Die Familie Bennett muss völlig blind gewesen sein, um eine solch ungeheuerliche Situation zuzulassen.
Die Gäste flüsterten untereinander. Elliot lief ein Schauer über den Rücken, sein Gesicht errötete vor Scham und Wut.
Er weigerte sich zu glauben, dass der Familie Bennett so etwas Demütigendes widerfahren konnte.
Ihre Familie war wohlhabend und mächtig. Es war unmöglich, dass sie zu geizig waren, ihrem eigenen Fleisch und Blut nur ein Taschengeld zu geben.
Elliot fragte Lauren sofort mit kalter Stimme: „Selbst wenn die Finanzabteilung das Geld nicht überwiesen hat, müssen Mama und Papa dir doch ein Taschengeld gegeben haben, oder?“
Laurens Lippen kräuselten sich vor Spott. Sie warf einen Blick auf David Bennett und Alice Pierce in der Menge und sagte leichthin: „Warum fragst du nicht Herrn David und Madam Alice, ob sie mir ein Taschengeld gegeben haben oder nicht, Herr Elliot? Immerhin glaubst du mir nicht, aber deinen Eltern würdest du doch glauben, oder?“
David und Alice versteiften sich augenblicklich, zu beschämt, um ihr in die Augen zu sehen.
„Papa, Mama, du hast ihr doch sicher ein Taschengeld gegeben, oder?“ Elliot schaute sie ernst an.
David wich seinem Blick aus. „Ich dachte, ihr würdet es ihr geben, also habe ich...“
Alice' Gesicht war voller Schuldgefühle, Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie sagte schmerzhaft: „Ich dachte, ihr würdet... Laurie, warum hast du nicht schon früher etwas gesagt? Wenn du es mir früher gesagt hättest, hätte ich dir Geld gegeben. Es ist meine Schuld. Ich habe es nicht rechtzeitig gemerkt, und du hast darunter gelitten. Aber du musst mir glauben, dass ich dich und Willow gleich behandle.“
Lauren sah sie mit einem halben Lächeln an, ihr Blick war gleichgültig. Unter ihrem kalten Blick senkte Alice unbeholfen die Augen.
Erst heute hatte Lauren herausgefunden, dass es ihre eigene leibliche Mutter war, die die Finanzabteilung angewiesen hatte, ihr kein Geld zu schicken. Nicht nur das, sie hatte auch Willows Taschengeld auf 140.000 Dollar erhöht, weil sie befürchtete, dass ihre kostbare Adoptivtochter sich benachteiligt fühlen könnte.
Bei einer solch unverhohlenen Bevorzugung besaß Alice noch immer die Dreistigkeit zu behaupten, sie behandele sie gleich.
Als angesehene Frau einer wohlhabenden Familie trug Alice nur die feinsten Kleider, und selbst ihre Socken kosteten Dutzende von Dollar. Sie konnte unmöglich übersehen, dass ihre eigene Tochter ein Outfit trug, das insgesamt weniger als 14 Dollar kostete.
Natürlich wusste sie es. Es war ihr nur egal.
Diese Entschuldigung war nichts weiter als eine Show für die Öffentlichkeit.
Zum Glück hatte Lauren die Hässlichkeit dieser Familie längst durchschaut. Ihr Herz war abgehärtet, immun gegen ihr Gift. Ohne Erwartungen zu haben, blieb sie unerschüttert.
Als sie sah, wie Lauren die Entschuldigung ihrer Mutter ignorierte und die Familie Bennett vor allen Leuten demütigte, verschwand Elliots flüchtiges Schuldgefühl augenblicklich.
Er schimpfte kalt: „Du hast eine große Klappe, nicht wahr? Warum hast du nicht einfach etwas gesagt? Wir sind keine Gedankenleser; woher sollten wir wissen, was du denkst? Wenn du früher etwas gesagt hättest, glaubst du, wir hätten dir dann kein Geld gegeben?“
„Das habe ich.“ Laurens Stimme war sanft, aber mit Kälte durchsetzt. „Du hast es nur nicht ernst genommen.“
Elliot runzelte die Stirn und wollte gerade leugnen, als plötzlich eine Erinnerung in seinem Kopf auftauchte.
Es war ein Nachmittag vor langer Zeit. Ihre vierköpfige Familie saß auf der Couch, plauderte und lachte.
Lauren kam zögernd herüber und umklammerte den Saum ihrer Schuluniform. Noch bevor sie sprechen konnte, lief ihr Gesicht knallrot an.
Sie rang lange mit sich, bevor sie schließlich flüsterte: „Papa, Mama, kannst du mir das Schulgeld von 700...“
Peng!
Elliot knallte seine Zeitung auf den Couchtisch und starrte Lauren an. „Geld, Geld, Geld! Ist das alles, was dich interessiert? Bist du zu dieser Familie zurückgekommen, nur um nach Geld zu fragen? Wenn die Familie Bennett kein Geld hätte, wärst du dann überhaupt zurückgekommen? Ich weiß nicht, warum Mama und Papa darauf bestanden haben, dich zurückzubringen. Wenn du nichts Besseres zu tun hast, geh lernen. Willow hat bei ihrer ersten monatlichen Prüfung den zehnten Platz in der ganzen Schule belegt. Was ist mit dir?“
„Ich... ich habe den ersten Platz....“
„Genug. Du meinst den letzten Platz, richtig? Und du wagst es immer noch, das anzusprechen?“
Er hatte bereits dafür gesorgt, dass die Finanzabteilung jeden Monat 70.000 Dollar auf ihre Karte einzahlte, aber sie wagte es, den Mund aufzumachen und nach Geld zu fragen.
Selbst Willow bekam nicht so viel, also hatte sie keinen Grund zu glauben, dass sie es verdiente.
Lauren kamen augenblicklich die Tränen, als ob sie eine große Ungerechtigkeit erlitten hätte.
Elliot fühlte sich nur irritiert und verlor sogar die Lust, seine Finanzzeitung zu lesen.
Glücklicherweise war Willow verständnisvoll. Sie zupfte an seinem Arm und schmollte. „Elliot, ich bin dieses Mal Zehnter geworden. Bekomme ich eine Belohnung?“
Er konnte nicht widerstehen, dass seine süße kleine Schwester so niedlich war. Sofort war sein ganzer Ärger über Lauren verflogen. Er kniff Willow in die Wange und schmiegte sich an sie. „Willow, was willst du?“
„Ich habe eine Handtasche im Wert von 14.000 Dollar gesehen. Elliot, kaufst du sie für mich?“
„Natürlich. Wenn sie dir gefällt, würde ich sogar eine für 140.000 Dollar kaufen.“
Nachdem er Willow verwöhnt hatte, wandte er sich mit einem finsteren Blick wieder an Lauren. „Was stehst du noch hier? Geh zurück in dein Zimmer und lerne.“
Lauren biss sich auf die Zähne und rannte davon.
David und Alice seufzten zur gleichen Zeit. „Wenn Laurie nur halb so vernünftig wäre wie Willow.“
...
„Herr Elliot, kannst du dich erinnern?“
Laurens Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück. Sein Herz verdrehte sich schmerzhaft bei der Art, wie sie ihn ansprach - Herr Elliot.
Er war ihr leiblicher Bruder, nicht irgendein Fremder.
Aber seit sie aus dem Gefängnis entlassen worden war, hatte sie ihn nicht ein einziges Mal beim Namen genannt.
Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, seine Stimme war von Frustration geprägt. „Das lag daran, dass du so schlecht im Lernen warst. Du warst der Letzte, und wie konntest du es wagen, nach Geld zu fragen? Sogar ich habe mich für dich geschämt.“
Als Lauren dies hörte, wurde ihr Blick noch kälter. Da er mit solch eisiger Gleichgültigkeit angestarrt wurde, fühlte Elliot ein unerklärliches Schuldgefühl. Er presste den Kiefer zusammen und schnauzte: „Du nimmst keine Kritik an?“
„In den drei Jahren der Highschool war ich jedes Jahr der Beste in meiner Klasse. Wie kommt es, dass ich in deiner Version der Geschichte plötzlich an letzter Stelle stehe?“
Als sie Elliots ungläubigen Gesichtsausdruck sah, grinste Lauren eiskalt. Ein Gefühl rachsüchtiger Befriedigung stieg in ihr auf. „Andererseits ist das auch verständlich. Herr Elliot, du weißt nicht einmal, welche Schule ich besucht habe. Natürlich kennst du auch meine Noten nicht."
Elliot fühlte sich wie vom Blitz getroffen und erstarrte auf der Stelle.
Es war, als hätte er gerade etwas Absurdes gehört. Seine Stimme zitterte leicht und verriet einen Hauch von Heiserkeit. „Du warst nicht auf der Brightvale High School?“
Die Brightvale High School war die renommierteste Schule in Hoverdale. Willow hatte dort ihren Abschluss gemacht, und alle wohlhabenden und mächtigen Familien der Stadt schickten ihre Kinder dorthin.
Elliot hatte einfach angenommen, dass Lauren auch dort studierte.
Sein Blick wanderte zu David und Alice, seine Stimme zitterte unkontrolliert. „Papa, Mama, als Lauren zurückkam, habt ihr da ihre Schulunterlagen umgeschrieben?“
Schweigen.
Davids Gesicht lief rot an, seine Lippen bewegten sich lautlos wie die eines Mannes, der sein Rückgrat verloren hat. All seine frühere Autorität war verschwunden.
Alices Lippen bebten. Panik und Schuldgefühle füllten ihre Augen, und ihr perfekt aufgetragenes Make-up konnte ihre Verlegenheit nicht verbergen.
Die beiden standen wie erstarrt da, als ob die Luft um sie herum erstarrt wäre.
Elliots Gesicht wurde blass, Zentimeter für Zentimeter. Sein bisheriges Bild von Lauren fiel in sich zusammen wie ein einstürzender Turm. All die Verachtung und Herablassung, die er einst empfunden hatte, verwandelte sich nun in scharfe Klingen, die in sein eigenes Herz schnitten.
Seine Kehle zog sich schmerzhaft zusammen, seine Stimme war kaum zu hören. „Laurie, wo bist du in diesen drei Jahren zur Schule gegangen?“