Kapitel 3 Das Steak will mich umbringen
"Mach du ruhig weiter. Ich habe noch etwas zu erledigen."
Dominic nahm die Schärfe aus seiner Stimme und bemühte sich, nicht zu hart oder kalt zu klingen.
Jean verzog leicht die Lippen, sagte aber nichts.
Im Ernst? Er will, dass ich das hier weiter esse? Nicht mal ein Hund würde das anrühren... Nur weil Essen da ist, muss man es nicht essen!
Dominic drehte den Kopf und warf ihr einen schnellen Blick zu.
Jean setzte sofort ihren unschuldigsten, großen Augenblick auf.
"Wenn es irgendetwas gibt, das du wirklich magst, sag einfach der Haushälterin Bescheid," fügte er überraschend sanft hinzu.
Technisch gesehen waren sie Geschwister, aber eigentlich kannte er sie kaum.
Jean war immer mehr ein Schatten als ein Mensch gewesen. Still, unauffällig. Wäre er nicht ihr Bruder, hätte er sie vermutlich nie beachtet.
Aber jetzt—
Dominic begegnete ihrem klaren, offenen Blick und spürte, wie sich etwas in ihm veränderte.
Vielleicht hatte er sich geirrt.
Vielleicht war sie gar nicht distanziert. Vielleicht wusste sie einfach nicht, wie man jemanden an sich heranlässt.
Jean hatte keine Ahnung, was in Dominics Kopf vorging. Sie war ganz in ihrer eigenen Welt.
Alles, was ich will? Sag das nicht nur—zeig es mir. Überweis mir sieben Dollar und ich seh, wie ernst du es meinst. Es ist Donnerstag. Ich bin bereit für das totale Chaos!
Ein paar Minuten später summte ihr Handy wegen einer Überweisung.
Vierzehntausend Dollar.
"Dominic, du... warum hast du... mir so viel Geld geschickt?" Jean starrte ihr Handy an, als hätte es plötzlich Flügel bekommen. Ihre Stimme kam nur stockend heraus.
So fühlte es sich also an, wenn Geld vom Himmel fällt.
So war es, in einen Haufen Gold zu stolpern.
Das war der Traum.
Geld, komm zu mir. Regne auf mich herab. Ströme aus allen Richtungen...
Dominic bemerkte ihren erstaunten Blick, die dunklen Pupillen glänzten wie Glas, und ehrlich gesagt fand er das ziemlich niedlich.
"Wenn das nicht reicht, sag einfach Bescheid."
Er warf diesen Satz hin, als wäre es nichts, und ging dann mit Bryson davon, ohne ein weiteres Wort.
Jean blieb allein am Tisch sitzen und grinste, als hätte sie gerade im Lotto gewonnen.
Hehe... vierzehn Riesen, einfach so.
In diesem Tempo war ihr Traum, sich in einer Fünf-Sterne-Nervenklinik zur Ruhe zu setzen, absolut erreichbar.
Klar, Dominic hatte gesagt, sie könne nach mehr fragen, wenn sie es brauche...
Aber Jean war keine naive Schmarotzerin. So etwas musste man mit Fingerspitzengefühl angehen. Wenn sie zu gierig wurde und ihn zu schnell ausnahm, wäre die Geldquelle viel zu früh versiegt.
……
Dominic ließ sich auf dem Rücksitz des eleganten schwarzen Wagens nieder und zupfte wie immer an seinem Hemdkragen.
Jeans innere Stimme hallte noch in seinem Kopf nach.
Thomas...
Seine Augen verengten sich. Etwas Scharfes und Undurchschaubares blitzte darin auf.
"Finde heraus, wer sich in letzter Zeit in der Firma besonders mit Thomas versteht." Seine Stimme wurde leise und kalt, als er zu Bryson am Steuer sprach.
Bryson ließ sich nichts anmerken, aber innerlich spannte er sich an.
Hat Herr Dominic etwas bemerkt?
Fängt er tatsächlich an, Thomas zu hinterfragen...
"Verstanden."
Bryson behielt seine Gedanken für sich. Er wusste, dass Nachfragen nicht angebracht war.
……
Die Sommerferien gingen zu Ende.
Jean schnappte sich ein paar Stücke selbstgebackenen Kuchen aus dem Kühlschrank, aß nach Herzenslust und schlenderte dann zurück in ihr Zimmer.
Die Klimaanlage lief auf Hochtouren.
Mit einem zufriedenen Seufzer ließ sie sich aufs Bett fallen.
Sie wusste nicht genau, wann Sarah—die Heldin—auftauchen würde. Also wollte sie bis dahin einfach entspannen und das Leben genießen.
Ihr Arm streckte sich träge aus, und ihre Finger stießen unter dem Kissen auf etwas.
Es war kalt. Metallisch.
Jean erstarrte.
Sie setzte sich blitzschnell auf und zog das Kissen weg—
Ihre Augen weiteten sich.
Darunter lag ein Metallabzeichen, das sie noch nie gesehen hatte. Völlig fremd. Und definitiv nicht ihres.
Jean hob das Abzeichen auf und betrachtete es genau.
Das Design war dreidimensional hervorgehoben. Es war ein Hexagramm—nicht zu groß, nicht zu klein—mit einer scharf gezeichneten Iris, die sich in der Mitte öffnete.
Unheimlich. Wunderschön. Und zutiefst falsch.
Dann traf es sie. Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich, die Augen wurden alarmiert groß.
Kling.
Das Abzeichen glitt ihr aus der Hand und landete auf dem Kissen.
Jean erstarrte, zog zitternd die Luft ein.
Eine eisige Kälte kroch über ihre Haut. Instinktiv umarmte sie sich selbst.
Wenn sie sich nicht täuschte.
Hexagramm. Iris.
Das war das Symbol einer geheimen Gruppe im Roman.
Die Welt der Geschichte schien von glanzvollen, mächtigen Familien beherrscht zu werden. Doch im Hintergrund wirkten dunklere Kräfte. Rücksichtslose Organisationen, die im Schatten um die Kontrolle kämpften.
Abyssal Choir war eine der tödlichsten.
Sie standen für Chaos und Blut. Sie waren die ultimativen Gegenspieler. Die Art von Gegnern, die es sogar mit der Heldin aufnehmen konnten.
Und ihr Zeichen?
Eine voll erblühte Iris, eingebettet in einen sechszackigen Stern.
Abyssal Choir.
Jean spürte, wie sich ihr Nackenhaar aufstellte. Es war, als hätte sich etwas Kaltes und Unsichtbares um sie gelegt.
Dieses Abzeichen war ganz sicher nicht zufällig hier gelandet.
Das bedeutete—
Welche Verbindung hatte die ursprüngliche Jean zum Abyssal Choir?
Sie sollte doch eigentlich eine ruhige, verwöhnte Erbin sein. Wie kam jemand wie sie mit so einer Gruppe in Kontakt...
War es möglich, dass der Abyssal Choir sie bereits ins Visier genommen hatte?
Vielleicht war das Abzeichen eine Warnung.
Oder vielleicht... vielleicht war die Heldin bereits zurückgekehrt, vollkommen erwacht. Vielleicht hatte sie das Abzeichen absichtlich dort hinterlassen.
Jeans Kopf schwirrte.
Klar, sie kannte den Großteil der Romanhandlung. Aber die ursprüngliche Jean war nur eine Nebenfigur. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihr Leben im Detail auszuarbeiten.
Und die Erinnerungen, die sie geerbt hatte, waren bestenfalls bruchstückhaft.
Sie kannte die groben Züge. Aber alles andere? Ein einziges Durcheinander.
Und jetzt hatte sie dieses Abzeichen wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Gerade als sie dachte, sie könnte endlich entspannen, zog es sie zurück in den Sturm.
Nach langem Überlegen wurde ihr klar, dass es nur einen Weg gab, damit umzugehen.
Improvisieren. Schritt für Schritt.
Sie war nicht bereit zu sterben. Und sie wollte sich ganz sicher nicht mit solchen Leuten anlegen.
……
In den folgenden Tagen sah Jean niemanden sonst aus der Familie—nur Dominic.
Ihre sogenannten Eltern? Im Ausland, mit was auch immer beschäftigt.
Die anderen vier Brüder? Offenbar zu sehr mit eigenen Dingen beschäftigt, um überhaupt nach Hause zu kommen.
Und das Abzeichen... nichts geschah.
Es lag einfach da, als hätte es nie einen Grund gegeben, zu existieren.
Keine Erklärung. Keine Reaktion. Nichts.
Jean verbrachte die letzten Tage der Sommerferien ruhig, bis die Realität anklopfte und die Schule wieder begann.
Es war der erste Schultag.
Jean schlenderte gähnend zum Auto. Die Familie Ginger ließ sie stilvoll in einem glänzenden schwarzen Luxuswagen fahren.
Der Fahrer saß bereits am Steuer, schweigend.
Er war riesig, ausdruckslos und offensichtlich desinteressiert. Selbst als er sie kommen sah, sagte er kein Wort und schaute sie nicht einmal an. Starrte einfach geradeaus, als wäre sie völlig unsichtbar.
Jean blinzelte langsam, sichtlich wenig begeistert.
Sie klopfte an die Fahrerscheibe. Das brachte endlich eine Reaktion. Er kurbelte das Fenster herunter und sagte in monotonem Ton: "Miss Ginger."
"Hey, Sir... haben wir vergessen, Ihnen das Gehalt zu überweisen oder so?"
Jean legte den Kopf schief und sah viel zu süß aus, um ernst genommen zu werden.
Der Fahrer hatte damit offensichtlich nicht gerechnet. Er räusperte sich verlegen und beeilte sich mit einer Antwort.
"Natürlich nicht... Miss Ginger, wie kommen Sie denn darauf..."
"Sie wirken nur irgendwie... nicht besonders begeistert vom Schulweg."
"Absolut nicht der Fall!"
"Wenn es wirklich so schlimm ist, kann ich Dominic bitten, Sie zu versetzen. Vielleicht als Kassierer bei Costco?" Jeans große, funkelnde Augen blickten gespielt besorgt nach oben.
Der Fahrer verschluckte sich fast und verstummte völlig.