Kapitel 1 Bitte heirate mich
Als Emilia im Amt vor dem Standesamt ankam, musste sie zu ihrer Bestürzung feststellen, dass der Mann, mit dem sie ihre Heiratsurkunde ausstellen lassen wollte, noch nicht eingetroffen war.
Es war bereits über eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit. Gerade als sie ihn kontaktieren wollte, rief er sie stattdessen an.
Kaum hatte sie abgehoben, dröhnte seine wütende Stimme durch das Telefon: „Emilia Wieland, du Lügnerin! Hast du vergessen, was für schändliche Dinge du an der Universität getan hast? Wie kannst du es wagen, jetzt an eine Heirat mit mir zu denken? Ich sage dir jetzt etwas. Das wird nur in deinen Träumen passieren! Ich hätte es mir denken sollen, da du so schnell von Heirat gesprochen hast, obwohl wir uns erst seit drei Tagen kennen! Wenn meine Ex-Freundin nicht an der gleichen Universität studiert hätte wie du, wäre ich von dir hineingelegt worden! Du schamloses Weib!“
Damit legte er auf.
Emilia hatte nicht einmal die Chance gehabt, sich zu erklären.
Die Finger, die ihr Handy umklammerten, wurden weiß, während sich ihre Lippen lautlos bewegten.
Der Mann hatte sich überhaupt keine Mühe gegeben, seine Stimme zu dämpfen, und so hatte eine Menge Leute das Telefonat mitangehört. Die Blicke voller Hohn und Abscheu, die ihr von allen anderen zugeworfen wurden, fühlten sich an wie tausende von Nadelstichen.
Es war genau wie in jener albtraumhaften Nacht vor zwei Jahren.
Sie hatte das Gefühl, von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Egal, wie sehr sie sich auch bemühte, es gab einfach kein Entkommen ...
Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, während sie erschreckend blass wurde. Sie hatte ohne es zu merken am ganzen Körper unkontrolliert zu zittern begonnen.
Nicht weit entfernt beobachtete ein Paar dunkle, unergründliche Augen die zitternde Frau nachdenklich, während seine schlanken Finger auf die Armlehnen seines Rollstuhls trommelten.
„Herr Norten.“ In diesem Moment eilte ein junger Mann zu Finn Nortens Seite. Er beugte sich hinunter und flüsterte: „Frau Lopez hat mir mitgeteilt, dass sie noch im Stau feststeckt. Sie meint, es könnte noch mindestens eine Stunde dauern, bis sie hier ist.“
„Sie kann nach Hause fahren. Sagen Sie ihr, sie soll sich nicht mehr die Mühe machen, zu kommen.“ Finn wandte nicht einmal den Kopf. Sein scharfer Blick war auf Emilia gerichtet, als er gelassen hinzufügte: „Ich mag keine anmaßenden Frauen.“
„Aber ...“ Der junge Mann, sein Assistent, sah bestürzt aus. „Ihr Großvater drängt wirklich sehr darauf, dass Sie heiraten...“
Als hätte er die Worte seines Assistenten nicht gehört, drückte Finn einen Knopf an seinem Rollstuhl und fuhr auf Emilia zu.
„Entschuldigen Sie, Fräulein? Würden Sie mich bitte heiraten?“
Eine klare Stimme erklang und riss Emilia aus der Dunkelheit, die sie zu verschlingen drohte.
Als sie den Kopf hob, war sie sehr überrascht von dem, was sie sah.
Sie konnte nicht sagen, wann es geschehen war, aber ein Mann im Rollstuhl schien vor ihr stehen geblieben zu sein.
Seine Gesichtszüge waren so perfekt, dass sie jedem den Atem rauben würden. Scharf definierte Augenbrauen auf einem Gesicht, das aussah, als wäre es aus Marmor gemeißelt. Er wirkte wie ein makelloses Meisterwerk.
Trotz der Einfachheit seines weißen Hemdes betonte das Design seine schlanke, aber kraftvolle Statur.
Dass er im Rollstuhl saß, tat seiner edlen und stolzen Ausstrahlung keinen Abbruch. Im Gegenteil, es schien ihn nur noch unnahbarer und geheimnisvoller zu machen.
Erst als der Mann seine Frage wiederholte, erwachte Emilia aus der Starre, in die sie gefallen war.
„Was?“
„Ich konnte nicht umhin, Ihr Gespräch von vorhin mitzuhören. Sie wollen möglichst rasch heiraten, nicht wahr?“
Bei seinen Worten blieb ihr der Atem stocken, und sie fühlte sich gedemütigt und verzweifelt.
Ohne auf ihre Antwort zu warten, fuhr der Mann mit gleichgültigem Ton fort: „Was für ein Zufall. Ich stecke im selben Boot. Da unsere Ziele derart ähnlich sind, warum helfen wir uns nicht gegenseitig?“ Die Art und Weise, wie er es sagte, ließ es so klingen, als ginge es um einen Geschäftsabschluss und nicht um eines der wichtigsten Ereignisse im Leben.
An diesem Punkt verstand Emilia endlich, dass dieser Mann es ernst meinte, dass sie heiraten sollten. Aber wir haben uns doch gerade erst kennengelernt! Gleich zu heiraten ist völlig absurd!
„Hören Sie, wir kennen uns nicht einmal! Glauben Sie nicht, dass Sie ein wenig zu voreilig und impulsiv sind?“
„Sie kannten auch die Männer nicht, mit denen Sie auf Blind Dates gegangen sind.“
Seine Antwort war ruhig und direkt, und Emilia war überrascht und sprachlos.
„Oh, jetzt verstehe ich. Sie sehen auf mich herab, weil ich ein Krüppel bin, oder?“
„Natürlich nicht!“ – war ihre automatische Antwort. Als sie den kleinen Schimmer von Belustigung in seinen dunklen Augen bemerkte, wurde ihr klar, dass sie genau das tat, was er von ihr wollte.
„Fräulein.“ Er faltete die Hände ordentlich auf seinem Schoß, bevor er ihr einen scharfen Blick zuwarf. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie diese Heirat sehr dringend brauchen. Wenn Sie sich diese Chance jetzt entgehen lassen, glauben Sie wirklich, dass Sie eine weitere bekommen werden?“
Sie musste zugeben, dass er sehr überzeugend war. Er hat recht. Ich brauche diese Ehe dringend. Um ehrlich zu sein, ist es wahrscheinlich richtiger zu sagen, dass ich hier in dieser Stadt meinen festen Wohnsitz haben und hier gemeldet sein muss. Nur dann kann ich hier eine Krankenversicherung beantragen, die die teuren Arztrechnungen meiner Mutter übernimmt.
Sekunden verstrichen, während sie den Mann sehr lange ansah. Schließlich presste sie hervor: „Haben Sie einen festen Wohnsitz hier in Frankfurt?“
Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Grinsen. „Ja.“
Erneut verstummte Emilia. Ihre Finger krampften sich um ihre Dokumente, die sie hielt.
Obwohl er behindert war, hatte der Mann vor ihr ein Auftreten und Aussehen, das den schrecklichen Männern, mit denen sie sich in letzter Zeit zu Blind Dates verabredet hatte, um Längen voraus war. Oh Emilia, war es in den letzten drei Monaten nicht dein einziges Ziel, so schnell wie möglich einen Einheimischen zu heiraten? Jetzt fällt dir die Gelegenheit dazu praktisch in den Schoß! Warum zögerst du immer noch?
Widersprüchliche Emotionen tobten in ihr. Schließlich biss sie sich auf die Lippen und fasste ihren Entschluss. Emilia zustimmend. „In Ordnung, ich stimme zu.“