Kapitel 8 Der Ehering
Dort, an seinem Ringfinger, befand sich ein schlichter und einfacher Ring.
Es war der Ring, den sie gestern gekauft hatte.
Völlig fassungslos von dieser Enthüllung vergaß sie vorübergehend, sich an den Tisch zu setzen. Schließlich hob Finn den Kopf, um sie anzusehen.
„Was ist los?“ Seine Augen wanderten zu ihrem leeren Finger, bevor er fragend die Augenbrauen hob. „Wo ist dein Ring?“
Ein Gefühl von Verlegenheit durchströmte Emilia.
Sie hatte das Gefühl gehabt, dass die Ringe, die sie gekauft hatte, seinem Status nicht würdig waren. Deshalb hatte sie ihren eigenen nicht angesteckt. Ich habe nicht erwartet, dass er den Ring finden und tatsächlich tragen würde!
Da sie keine andere Wahl hatte, holte Emilia ihren Ring aus ihrer Tasche und steckte ihn auf ihren Finger. Sie murmelte leise: „Entschuldige, ich habe dieses Design zufällig ausgewählt.“
Finns Mundwinkel verzogen sich nach oben. „Es ist in Ordnung. Sieht sehr hübsch aus.“
Unsicher, was sie darauf antworten sollte, setzte sie sich hin und konzentrierte sich auf den Verzehr ihres Frühstücks.
Als sie fertig waren, legte Finn seine Zeitung beiseite und sagte: „Ich bringe dich zur Arbeit.“
„Das ist nicht nötig“, antwortete Emilia schnell. „Ich kann ein Taxi rufen oder die U-Bahn nehmen.“
Auf keinen Fall! Wenn jemand von der Firma dich erkennt, werden die Frauen mich in Stücke reißen!
„In der Nähe gibt es keine U-Bahn-Stationen und du wirst auch kein Taxi bekommen können.“ Seine Stirn runzelte sich leicht.
Das ist wahr. Auf dem Weg hierher hatte Emilia bemerkt, dass dies eine Noble-Wohngegend war, und alle Bewohner hier hatten ihre eigenen Autos. Natürlich gab es keine Taxis oder U-Bahn-Stationen.
Sie überprüfte die Zeit und sah, dass es langsam spät wurde. Resigniert sagte sie: „Dann muss ich dich bitten. Könntest du mich auf dem Weg zu deiner Firma an einer U-Bahn-Station absetzen?“
Er sah sie mehrere lange Momente ausdruckslos an, was sie innerlich in Panik versetzte. Schließlich nickte er ihr zu.
Als sie die Villa verließen, wartete bereits ein schwarzer Bentley auf sie.
Ein junger Mann stand neben dem Auto. Er stellte sich als Noah Lotte vor, Finns persönlicher Assistent.
Noah öffnete die Autotür, machte jedoch keine Anstalten, Finn zu helfen. Während Emilia sich noch fragte, wie er einsteigen würde, senkte sich eine Rampe vom Fahrzeug herab und der Rollstuhl fuhr mühelos hinauf.
Als sie die Autotür öffnete, stellte sie fest, dass auch der Innenraum verändert worden war. Es gab einen speziellen Bereich für Finns Rollstuhl.
Sie setzte sich auf einen der Sitze, der Wagen sprang an und sie fuhren zur nächsten U-Bahn-Station.
Das Auto hielt an. Durch die Fenster betrachtete Finn den überfüllten Ort mit leichter Stirnrunzeln. „Es ist ziemlich umständlich für dich, so zur Arbeit zu fahren. Wenn du nicht möchtest, dass ich dich zur Arbeit bringe, kann ich dir ein Auto besorgen.“
Erstaunt über seine Worte lehnte sie sofort ab: „Das ist wirklich nicht nötig.“
Natürlich wusste sie, dass der Kauf eines Autos für ihn keine Rolle spielte. Aber sie fühlte sich immer noch unwohl dabei, sein Geld auszugeben.
Bei dieser raschen Ablehnung seines Angebots verdunkelten sich Finns Augen und er grummelte: „Ich bin nicht immer in der Villa. Wie willst du dann zur Arbeit kommen?“
Darüber hatte Emilia während der Autofahrt nachgedacht. Sie nahm ihr Handy heraus, winkte ihm zu und antwortete: „Es ist jetzt wirklich einfach und bequem, ein Taxi zu rufen. Ich werde etwas früher aufstehen müssen, um eines zu bestellen. Ähm ... Ich komme noch zu spät, also muss ich los. Tschüss.“
Sie wartete nicht auf seine Antwort, sondern verließ das Auto praktisch fluchtartig.
Mit undurchschaubaren Ausdruck blickte Finn der sich eilig entfernende Gestalt seiner Frau nach.
Noah hatte bemerkt, worauf die Aufmerksamkeit seines Chefs gerichtet war, und konnte sich nicht verkneifen zu kommentieren: „Herr Norten, bilde ich mir das ein, oder ist Frau Norten ganz anders, als unsere Ermittlungen vermuten ließen?“
Finns Tonfall war nachdenklich, als er murmelte: „Sie ist wirklich ziemlich anders.“
Er hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, dass sie sein Angebot, ihr ein Auto zu besorgen, so schnell und gründlich ablehnen würde.
Nach dem, was Noah über ihre Vergangenheit herausgefunden hatte, war sie eine oberflächliche Frau, die für ein bisschen Geld alles tun würde.
Das war genau der Grund, warum er sie ausgewählt hatte.
Eine Frau, die mit einer kleinen Menge Geld zufrieden sein konnte, war unendlich sicherer und einfacher zu kontrollieren im Vergleich zu den jungen Töchtern aus einflussreichen Familien. Schließlich hatten sie nur eine Sache im Sinn – an sein gesamtes Vermögen zu gelangen.
Es gab noch einen anderen Grund für seine Wahl. Er konnte zugeben, dass sie ihn nicht so sehr ärgerte, wie anderen Frauen.
Dennoch handelte sie entgegen seinen Erwartungen. Es ist fast so, als ob sie mein Vermögen überhaupt nicht interessiert.
Oder vielleicht war sie viel klüger, als er gedacht hatte, und spielte nur die Unnahbare? Vielleicht hatte sie einen anderen langfristigen Plan?
Seine Blick verdüsterte sich, als er schließlich seinen Blick von der Richtung abwandte, in die sie gegangen war.
„Fahren Sie.“
...
Im Finanzviertel von Frankfurt, im obersten Stockwerk der Finnor Group.
Finn saß an seinem Schreibtisch, seine Finger huschten über die Tastatur. Als Reaktion auf seine Aktionen änderten sich die Bilder und Daten auf seinem Bildschirm.
Ring, Ring.
Plötzlich klingelte sein Telefon und er griff danach, um abzunehmen.
Noahs Stimme kam von der anderen Seite der Leitung: „Herr Norten, Herr Lawson ist hier.“
„Lassen Sie ihn herein.“
Ein paar Sekunden später schwang seine Bürotür auf und ein Mann in einem auffälligen, pinkfarbenen Hemd kam herein.
„Finn, warum arbeitest du immer noch?“ rief der andere Mann laut. „Du hast endlich geheiratet! Auch wenn du keine Hochzeitsfeier hattest, könntest du zumindest in die Flitterwochen gehen oder so etwas!“
Finns Augen wichen nicht von seinem Bildschirm, als er kurz erwiderte: „Dafür habe ich keine Zeit.“
Der andere Mann setzte sich vor seinen Schreibtisch und war keineswegs verärgert über Finns kalte Haltung. Seine Augen verzogen sich zu einem Lächeln, als er keckerte: „Deine arme Frau! Wie konnte sie nur einen so langweiligen Mann wie dich heiraten?“
Schließlich hob Finn den Kopf, und starrte den anderen Mann mit ausdruckslossen Blick an. „Stiles, was willst du damit andeuten?“
„Mir ist einfach langweilig. Ich möchte deine Frau kennenlernen.“ Das Grinsen auf Stiles' Lippen wurde breiter.
„Vergiss es.“ Finn lehnte ohne zu zögern ab. „Du weißt, warum ich sie geheiratet habe.“
„Ja, das weiß ich.“ Stiles schmollte, bevor er wieder ernst wurde und fortfuhr: „Wie dem auch sei, du hast jetzt eine Familie. Es ist an der Zeit, dass du das, was in der Vergangenheit passiert ist, loslässt.“
Sein letzter Satz ließ Finn innehalten und seine Finger verkrampften sich kaum merklich.
Er schwieg eine Weile, bevor er sagte: „Wenn es um so etwas geht, kann man nicht loslassen. Tote Menschen werden nicht wieder lebendig.“
Stiles' Mund öffnete sich und es schien, als ob er etwas sagen wollte. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken, und weigerten sich, ihm über die Lippen zu kommen. Schließlich schluckte er sie wieder hinunter.
Nach ein paar Sekunden fragte er: „Was ist mit dem kleinen Mädchen von vor all den Jahren? Habt ihr schon etwas gefunden?“