Kapitel 10 Undercover
"Wein nicht, ich lag falsch …" Zevs Ton war schroff, doch er gab seinen Fehler ebenso schnell zu.
Kelly hatte früher gedacht, er spiele ihr nur etwas vor, doch mit der Zeit wurde ihr klar – so behandelte er nur sie.
Allen anderen gegenüber zeigte er kaum eine Regung, als wäre jedes zusätzliche Wort schon eine Wohltat.
"Ich habe keinen anderen Ort. Lass mich einfach ein bisschen schlafen …" Zev warf sich aufs Bett, schloss die Augen und machte es sich sofort bequem.
Kelly stand hastig auf, um ihre abgetragenen, ungewaschenen Kleider vom Boden zu nehmen und wieder anzuziehen.
"Ich habe dir saubere Sachen und Hygieneartikel mitgebracht. Sie liegen auf dem Sofa." Zev sprach beiläufig, ohne die Augen zu öffnen.
Kelly warf einen Blick auf die Taschen auf dem Sofa. Darin befanden sich Kleidung in genau ihrer Größe sowie Gesichtsreiniger und Pflegeprodukte für Frauen.
Sie rührte sie nicht an. Stattdessen zog sie mit trotzigem Stolz ihre schmutzigen Sachen wieder an und rollte sich auf dem Sofa zusammen.
Eine halbe Stunde verging. Die Frustration in ihr brodelte, schließlich stand Kelly auf, ging zum Bett und funkelte den friedlich schlafenden Zev an.
Hält er meine Wohnung für ein Hotel?
Dieser Verbrecher—dieser schamlose Terrorist.
"Du, steh auf", sagte Kelly und stieß ihn an.
Doch Zev öffnete nicht einmal die Augen. Sie konnte nichts tun.
Wütend ballte sie die Fäuste und überlegte sogar, ihn mit einem Kissen zu ersticken.
Doch der scharfe Geruch von Blut ließ ihre Instinkte erwachen.
Ihr medizinisches Wissen setzte ein, und sie griff nach seiner Jacke und öffnete sie.
Darunter trug Zev ein weißes T-Shirt – völlig durchtränkt von Blut.
Kelly schnappte nach Luft. Sie hob schnell sein Shirt an. Ein Stück Mull war auf seiner Brust befestigt, schon völlig rot durchtränkt. Die Wunde stammte von einem Schuss, war noch nicht verheilt und blutete nun wieder.
In diesem Moment dachte Kelly nur eines – Zev hatte unglaubliches Glück, noch am Leben zu sein.
Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, wie er von einer verirrten Kugel getroffen worden war und in einer Blutlache lag. Und doch hatte er überlebt. Das musste an seinem kräftigen, durchtrainierten Körper liegen.
Sein Körper war schlank und stark, kein Gramm Fett zu viel – die Art von Figur, die jedes Kleidungsstück wie aus einer Modereklame wirken ließ.
Kelly schob ihn erneut an, doch er glühte vor Fieber und reagierte überhaupt nicht.
Wenn er nicht bald ins Krankenhaus kam, könnte er sterben.
Ihr Blick fiel auf ein neues Handy neben dem Bett. Nach langem Zögern griff sie danach und wählte die Notrufnummer.
Doch kaum meldete sich die Zentrale, brachte sie kein Wort heraus.
Am Ende legte sie auf und schickte stattdessen eine Nachricht.
Die Polizei war schnell zur Stelle.
Sowohl Zev als auch Kelly wurden zum Verhör mitgenommen.
Auf dem Weg zur Wache kam Zev wieder zu sich. Sein Gesicht war blass, doch er brachte es fertig, Kelly ein schwaches, amüsiertes Lächeln zuzuwerfen. "Kelly, du hast kein Herz."
Kelly wandte sich ab und sprach mit den Händen: "Du bist ein Verbrecher. Selbst wenn du diesmal entkommst, wird das Gesetz dich einholen."
Zev widersprach nicht. Ausnahmsweise war er unheimlich still und kooperativ.
Kelly fragte sich unwillkürlich, hatte er sich geändert?
"Du solltest im Krankenhaus sein, nicht draußen herumlaufen. Hast du einen Todeswunsch?"
Kaum betraten sie die Wache, trat ein Mann mittleren Alters in Uniform auf sie zu und verpasste Zev eine schallende Ohrfeige.
Zev runzelte die Stirn und murmelte: "Wenn ich nicht geflohen wäre, hätte meine Frau mich verlassen."
Kelly wandte sich überrascht dem Mann zu – seine Autorität war unübersehbar. Sie erkannte ihn sofort. Gary Wagner.
Er war der Friedensoffizier, der sie gerettet hatte. "Das ist nicht in ein paar Worten erklärt", sagte Gary ernst. "Es ist vertraulich. Aber eines kann ich dir sagen – Zev gehört zu uns. Vor fünf Jahren wurde er undercover in Lucas' Organisation eingeschleust. Dank ihm konnten wir Lucas' Gruppe so schnell zerschlagen."
Kelly erstarrte. Sie konnte es nicht fassen.
"Gary, erschreck sie nicht. Sie ist schüchtern", sagte Zev mit einem schiefen Grinsen und hob eine Augenbraue.
"Genug der Scherze! Zurück zur Basis, sofort!" fuhr Gary ihn an, sichtlich wütend. Zev hatte Befehle missachtet und war eigenmächtig vorgegangen.
Zev widersprach nicht. Stattdessen wandte er sich noch einmal an Kelly, sein Blick tief verletzt. "Kelly, du hast mich jetzt schon zweimal verlassen …" Seine Stimme war leise, voller Gefühl. "Ich lasse dich nicht gehen. Egal was passiert, ich komme immer zu dir zurück."
Kelly stand wie erstarrt da, während Gary Zev wegführte. Sie war immer noch wie betäubt.
Zev – derselbe ungestüme, aufreibende Mann, den sie kannte – war ein Undercover-Agent der Friedenskräfte.
Nicht einmal Lucas hatte ihn je verdächtigt. Und sie selbst auch nicht.
Seine Tarnung war perfekt gewesen.