Kapitel 10 Ohrfeige
"Was?"
Alle blickten in die Richtung, in die die Haushälterin gezeigt hatte, und sahen nur eine Schlange, die sie anfauchte.
Die Schlange war anders als alle anderen, die die Haushälterinnen zuvor gesehen hatten. Sie hatte einen großen Kopf, und ihr Hals war aufgerichtet, als ob sie zum Angriff bereit wäre.
Alle waren wie versteinert und stolperten in Panik zurück.
"Beeilt euch! Lauft!", schrien die Haushälterinnen, als sie kollektiv aus dem Zimmer flohen.
In diesem Moment kamen Henrick und Cindy endlich in Shandies Zimmer.
Als er die Schlange sah, die sich immer noch windete und zischte, zog sich auch Henrick zurück, aus Angst, von ihr gebissen zu werden.
Cindys Gesicht war grün geworden, als sie zittrig fragte: "Was ist hier los? Warum ist da eine Schlange? Warum stehen alle so herum? Jemand muss sie sofort töten!"
Die Haushälterinnen tauschten besorgte Blicke aus, denn niemand wollte sich freiwillig melden, um die Schlange zu entfernen.
Einen von ihnen mit einer Giftkobra zu konfrontieren, wäre gleichbedeutend damit, sie in den Tod zu schicken. Dieses Risiko wollte niemand eingehen.
Janet, die sich Zeit gelassen hatte, um nach oben zu kommen, war jetzt wie gelähmt vor Angst.
Ist das nicht die Schlange, die ich in Arielles Zimmer freigelassen habe? Was macht sie hier?
Schon das Tragen der Kiste mit der Kobra reichte aus, um Janets Beine in Gelee zu verwandeln. Jetzt hatte sie noch mehr Angst, sich ihr zu nähern, weil sie wusste, wie giftig die Kobra war.
Janet wusste, dass Shandie tot sein würde, wenn man ihr nicht innerhalb einer Stunde das Gegengift verabreichen würde. Doch das war etwas, das sie für sich behalten musste, egal wie sehr es sie schmerzte.
Als sie sah, dass niemand etwas unternehmen wollte, zerrte Cindy an Henrick und rief verzweifelt: "Schatz! Geh und töte die Schlange!"
Henrick traute sich, wie die anderen, nicht in die Nähe der Schlange.
Allerdings musste er auch an seinen Stolz als Mann des Hauses denken.
Wenn sich herumsprechen würde, dass er seine Tochter nicht vor einer Schlange retten konnte, würde er allen Respekt verlieren, den er hatte.
Verdammt seien diese nutzlosen, feigen Haushälterinnen! Und Cindy auch! Wenn sie nicht wären, wäre ich nicht in diesem Dilemma gelandet!
Henrick biss die Zähne zusammen und biss in den sauren Apfel. Gerade als er mit dem Besen in der Hand nach vorne treten wollte, ertönte eine Stimme aus dem Flur. " Papa, es ist spät in der Nacht. Was machen denn alle hier?"
Henrick drehte sich um und sah nur eine verschlafene Arielle in ihrem Pyjama. So wie es aussah, war sie durch die Aufregung gerade erst aufgewacht.
"Da ist eine Schlange im Zimmer. Deine Schwester wurde ohnmächtig, nachdem sie von ihr gebissen wurde. Ich muss sie retten gehen..." antwortete Henrick zögernd.
"Niemals!" rief Arielle aus, die nun völlig wach war. "Papa, das ist zu gefährlich! Du kannst da nicht reingehen!"
Cindys Blut kochte, als sie diese Worte hörte. Ohne zu überlegen, hob sie ihre Hand und griff nach Arielles Gesicht.
Angesichts ihrer Reflexe hätte Arielle diese Ohrfeige leicht vermeiden können, aber sie entschied sich in letzter Sekunde dagegen.
Ohrfeige! Das Geräusch war laut und knackig, als die Ohrfeige direkt auf Arielles Wange landete.
Arielles schöne und zarte Wange schwoll augenblicklich an, und Cindys Handabdruck war deutlich darauf zu sehen.
"Du Schlampe! Du willst deine Schwester sterben sehen, nicht wahr? Geh mir aus den Augen, du bösartige Schlampe! Alfred! Schmeiß sie sofort raus!" brüllte Cindy.
Cindys Bitte brachte Alfred in eine heikle Situation. Ob er nun ihrer Anweisung folgte oder nicht, er würde riskieren, entweder Cindy oder Henrick zu verärgern. Unsicher, wie er vorgehen sollte, wandte er sich an Henrick, um seine Reaktion zu beobachten.
Tränen liefen Arielle über das Gesicht. Bevor Henrick etwas sagen konnte, rief sie: " Papa, ich bin nur um deine Sicherheit besorgt. Schließlich bist du das Oberhaupt der Familie. Was würden wir tun, wenn dir etwas zustoßen würde? Ich habe dich doch gerade erst gefunden, Papa. Ich darf dich nicht verlieren!"
Arielles Worte, so ehrlich und aufrichtig, trafen Henrick mitten ins Herz.
Sie hat Recht. Als Oberhaupt der Familie hängt das Überleben aller von mir ab! Wenn mir etwas zustoßen würde, hätten sie es auch nicht leicht.
Natürlich kennt mich nur meine liebe Tochter am besten und kann sich in mich hineinversetzen. Zur Hölle mit allen anderen!
Bei diesem Gedanken runzelte Henrick die Stirn und blickte Cindy an.
"Warum zum Teufel hast du sie geschlagen? Sie ist doch nur um meine Sicherheit besorgt!", schimpfte er.
"Aber sie will eindeutig, dass Shannie..."
"Tante Cindy!" unterbrach Arielle plötzlich. "Wenn du so von mir denken willst, dann muss ich eben mit Taten beweisen, dass ich nicht will, dass meiner Schwester etwas passiert!"
Dann schnappte sich Arielle den Besen von Henrick und ging auf die Schlange zu. Sie hatte kaum Angst und zögerte nicht.
Besorgt riefen die Haushälterinnen: "Seien Sie vorsichtig, Frau Arielle! Diese Schlange ist giftig!"
Henricks Gesicht verzerrte sich vor Sorge. Im Vergleich zu Shandie war Arielle für ihn viel wertvoller, und er konnte nicht riskieren, sie zu verlieren.
"Arielle, geh nicht!" flehte Henrick, als er versuchte, sie aufzuhalten. Doch Arielle ließ ihn abblitzen und ging weiter auf die Schlange zu.
Als sie Arielle näher kommen sah, wurde die Kobra noch mehr gereizt und stürzte sich auf sie.
Arielle tat so, als hätte sie Mühe, dem Angriff der Schlange auszuweichen, bevor sie sich schnell umdrehte und mit ihrem Besen den Schwanz der Schlange traf.
Es war nicht schwer zu erkennen, dass die Kobra noch wütender geworden war, vor allem, weil auch ihr Zischen lauter und bedrohlicher geworden war.
Alle anderen waren inzwischen so versteinert, dass sie nur noch aus der Ferne zuschauen konnten und Arielle allein im Raum zurückließen, um mit der Kobra zu kämpfen.
In ihren Augen war Arielle zweifellos die mutigste Kriegerin aller Kriegerinnen.
Nach einem langen und mühsamen Kampf gelang es Arielle schließlich, die Schlange zu fangen, wobei sie den Anschein erweckte, dass ihr dies nur unter großen Schwierigkeiten gelungen war.
"Gib mir eine Schere oder ein Messer!"
"Ich habe hier ein Messer!", rief eine der mutigeren Haushälterinnen, als sie auf Arielle zuging und ihr ein Schälmesser überreichte.
Arielle hielt das Messer an den Kopf der Schlange und schloss die Augen. Obwohl sie zimperlich und verängstigt aussah, gelang ihr die Tat schließlich.
Nachdem ihr der Kopf abgeschlagen wurde, hörte die Kobra endlich auf, sich zu winden.
"Liebling, geht es dir gut?" fragte Henrick besorgt, als er auf sie zuging.
Arielle war den Tränen nahe, ihre Nerven hatten sich noch nicht beruhigt. Als sie Henrick sah, stürzte sie sich sofort in seine Umarmung.
"Papa! Ich habe solche Angst..."
"Na, na. Ist ja gut, mein Schatz. Die Schlange ist jetzt tot!"
"Solange Papa hier ist, habe ich keine Angst. Aber, Papa, mach dir jetzt keine Sorgen um mich. Du musst zuerst Shandie ins Krankenhaus schicken!" sagte Arielle entschlossen.
Henricks Herz schmolz bei diesen Worten dahin.
Meine Tochter ist nicht nur mutig, sie ist auch rücksichtsvoll! Sie ist wirklich mein größtes Geschenk!
Als er den Handabdruck auf Arielles Wange bemerkte, verzerrte sich Henricks Gesicht vor Wut, als er Cindy anschaute. "Sieh, was du getan hast! Sie hat ihr Leben riskiert, um Shandie zu schützen! Und du beschuldigst sie noch immer, Shandie etwas antun zu wollen?"
"I-ICH..." stotterte Cindy.
"Wenn du nicht einmal Recht von Unrecht unterscheiden kannst, bist du meiner Meinung nach nicht qualifiziert, den Haushalt zu führen. Von nun an kümmere ich mich selbst um die Finanzen!"
Cindys Gesicht verlor augenblicklich jegliche Farbe. "Schatz, bitte, ich will nur..."
Bevor sie sich erklären konnte, unterbrach Henrick sie: "Halt die Klappe! Ich will nichts mehr von dir hören! Ich möchte, dass du in deinem Zimmer bleibst, um nachzudenken. Und komm erst wieder raus, wenn du verstanden hast, was du falsch gemacht hast!"
In diesem Moment kam eine der Haushälterinnen herein und meldete: "Mr. Southall, der Krankenwagen ist da."